Mittwoch, 19. März 2008

leipziger buchmesse "nachklapp" teil 2

ein highlight „meiner“ leipziger buchmesse, das ich nicht unbeschrieben lassen möchte, war zweifellos die lesung mit martin walser am letzten samstag. walser war unverschämt gut, sprachlich gewandt und klar, analytisch und gleichzeitig gewinnend (um so übler nehme ich ihm aber seine bewusst „schwammig“ und provokationsreiche „ausschwitzkeule“-rede bei der friedenspreisverleihung).
nach der lesung (die wirklich lust auf das buch machte) bemühte sich der (sehr junge) rowohlt-lektor nach kräften, herrn walser sinnige fragen zu stellen, die dieser je nach laune beantwortete oder einfach nur durchwinkte, nicht ohne gönnerhaft ab und an den arm des jungen mannes zu tätscheln.
walsers roman behandelt ja die liebe des greisen goethe zur 19-jährigen ulrike, eine unmögliche, eine unglückliche liebe (der wir u. a. die „marienbader elegie“ zu verdanken haben), die natürlich gesellschaftlich schon alleine wegen des großen altersunterschiedes (goethe war über 70) unschicklich war.
walser sagte nun an diesem abend über das buch, goethe, die liebe, das leben, das schreiben:
„die legitimation des schreibens liegt gerade darin, dass wir nichts über ulrike wissen, und dennoch musste ich sie so schreiben, dass sie das leiden in goethe bewirken konnte, dass goethe seinen bedürfnissen nachgehen musste, egal ob sie rechtens waren oder nicht. goethe ist eben nicht der dichterfürst, sondern ein leidender, ein zutiefst verunsicherter mensch.“ auf die frage, ob es dann nicht „der leidende mann“ hätte heißen können, erwiderte walser mit einem schmunzeln, das wäre ihm „zu direkt“ gewesen. es ginge ihm hauptsächlich um die liebe, wobei der gewaltige altersunterschied eine „fabelhafte verschärfung“ darstelle.
man könne auch „mit einem schmerz nicht fertig werden, aber ihn schöner machen“, „strategien entwickeln, um das leiden zu dämpfen“, zum beispiel „schreiben und lesen“: walser sagt: „da habe ich ihm (goethe) etwas von mir mitgegeben.“
und über den roman an sich: „ein mensch allein kann keinen roman schreiben, die ganze welt muss helfen.“
und er hat viel verständnis für goethe, der sich im beisein von ulrike zum teil lächerlich macht, beinahe pubertär wirkt: „wehe dem, der die pubertät in sich abtötet und meint, er sei reif. es gibt nichts wichtigeres als unreif zu bleiben.“

ein schöner "satz des tages", *sagt die bienenkönigin und verabschiedet sich in die nacht*

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